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Donnerstag, 28. Juli 2011

Yacht - Shangri-la

Unsere Wertung: ****
Shangri-la

Festhalten, anschnallen: Es geht mit Lichtgeschwindigkeit in unbekannte Welten. Mit "Shangri-La" haben sich YACHT in eine kosmische Zukunft katapultiert. Seit 2004 schreiben YACHT aus Portland ihre Songs im Duett und veröffentlichen auf dem experimentellen New Yorker Elektro-Punk-Label DFA. Waren vorangegangene Alben schon durchaus überdreht, so hat sich das Elektro-Chaos-Duo mit "Shangri-La" endgültig ein Space-Shuttle geschaffen. Schon im Opener "Utopia" steckt derart viel zündende Energie, dass der Start in futuristische Gefilde kein Problem darstellt: Der tropische Titel überschlägt sich beinahe selbst. Ein rasender Bass, röhrende Gitarren, Synthies, Fauchen und Zischen bilden eine ungeheuren Vielschichtigkeit an brisant schnellen musikalischen Schichten. Nach dem quirligen Besuch in Utopia, dem Idealbild der Zukunft, landet man schließlich, begrüßt von den Worten "The earth is on fire / We don't have no daughter / Let the motherfucker burn", auf der dunklen Seite der hypothetischen Zukunftsszenarien – in Dystopia. Dumpfe Synthieflächen und ein entschleunigter, puckernder Beat treiben das Stück derart rucklos, dass man zu der Überzeugung gelangen kann, tatsächlich im Weltall angekommen zu sein. Das Gefühl von schwerelosem Umhertreiben wird auch im Folgenden nicht genommen. YACHT - "Utopia / Dystopia (The Earth Is On Fire) "You're one step over the line / you're fine" heißt es schließlich in "One Step", das sich durch spacige Klangeffekte in die galaktischen Welten eingliedert. Wie ein Abzählreim fährt das Stück bis zum zehnten Schritt fort und verrät doch nicht, worin es eigentlich die Linie sieht. Mit "Holy Roller" kommt "Shangri-La" bei seinem ersten echten Ruhepunkt an – echounterlegter Gesang über Fingerschnipsen mit Bass-Schnipseln, für zwei Minuten ist das alles. Mit "Beam Me Up" bringt sich das Album schließlich selbst auf den Punkt: "The future is a poem / cause it doesn't yet exist / we don't know if we reach out / to tentacle or fist" erklärt der Song, bevor in vollen Chören YACHT die dringende Bitte äußern: "Beam me up". In "Shangri-La", einem fiktiven, paradiesgleichen Ort, irgendwo im Himalaya angekommen, findet man nach diesem Trip schließlich den Boden unter den Füßen wieder. Das Stück entspannt mit poppigen Melodien und tanzender Leichtigkeit. Wo vorher Synthies undurchdringlich dichte Klänge erzeugten, stehen nun ganz natürlich ein gemächlich blubbernder Bass und leichte Gitarre, darüber warmer, zweistimmiger Gesang. Nichts ist mehr schrill. YACHT - "Shangri-La" YACHT bewegen sich ausgesprochen eloquent durch die verschiedensten Genres: "Utopia" ist funkig, "Love In The Dark" hat wavigen Charakter. "Tripped & Fell In Love" ist mit einem krautigen Beat unterlegt und glänzt durch minimalistische Düsterkeit. "Shangri-La" schließlich ist ein sanft-beschwingter Pop-Song, in dem elektronische Elemente nur noch verschwindend gering vorhanden sind. Damit entsprechen YACHT ihrer eigenen Wunschkarriere, die niemals in irgendeiner Schublade hängen bleibt. Man kann trotzdem nicht verhehlen, dass sie mit "Shangri-La" auf einem relativ schmalen Grad zwischen genialer Flippigkeit und latenter Nervenbelastung balancieren. Die Stücke sind fast durchgängig überdeutlich präsent, treibend und energiegeladen. Die Stimme von Claire L. Evans zeigt eher wenig Variation und ist sehr durchdringend. Man könnte wohl sagen, dass YACHT einen Hang zur absoluten Übertreibung haben. Allerdings haben sie es mit diesem Album noch geschafft, die Waage zu halten – in der Machart zwischen thematischem Konzept und musikalischer Freiheit, in den Texten zwischen Quatsch und kritischer Botschaft, zwischen Experimentierfreude und persönlichem Stil. Und dabei legen sie soviel Enthusiasmus an den Tag, dass "Shangri-La" einfach mitreißt und erfreut. Nur bei Katerkopfschmerzen und Gereiztheitszuständen sei es eventuell mit Vorsicht zu genießen.

comdirect



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