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Freitag, 17. April 2009

Neil Young - Fork in the Road


Unsere Wertung: ****

Neil Young hat seinen geliebten Lincoln Continental aus den 50er Jahren von einer spritfressenden Dreckschleuder in eine Öko-Limousine umgebaut. Mit der reist er kreuz und quer durch die USA, um sein Zukunftsprojekt „LincVolt“ vorzustellen. Das Auto, dessen Kühlerhaubenfigur schon auf Chrome Dreams 2 zu sehen ist, dient nun als Vehikel für das rockende Konzeptalbum Fork In The Road. Die Geschichten, die der Godfather of Grunge im Alter von 63 Jahren erzählt, handelt von seinem Oldtimer, Zwischenstation, Gedanken an die Zukunft, Abrechnung mit der Gegenwart. Ein paar Banker und Politiker geraten dabei unter Beschuss. Er singt davon, dass ein Song die Welt nicht verändert, wohl aber sein umweltfreundliches Auto. Er spricht verächtlich über Downloads...“download this. Sounds like shit...“, über das Verschwinden schwindelerregender Summen in der Weltwirtschaftkrise. Neil Young singt, was ihm das Radar auf seiner Fahrt auf den Bildschirm bringt und er macht es einem mit klaren Worten nicht schwer zuzuhören. Und nun beginnt das Problem: So sehr der Kanadier davon schwärmt, wie leise und sauber sein Lincoln über die Strassen schnurrt, so sehr holpern – abgesehen von ganz wenigen Balladen wie „Off The Road“ und das hinreißend schöne „Light A Candle“ – die Arrangement. Die klingen wie schlecht ausgebaute Schotterpisten, so unscharf wie das recht merkwürdige Plattencover, bleiben in Blues-Pfützen stecken. Große Mühen scheint sich der Meister beim Ausformulieren seiner Stücke nicht gegeben zu haben, eine Axt ersetzt Feile und Hobel, auch seine verlässlichen Mitstreiter Ben Keith und Anthony Crawford an den Gitarren, Drummer Chad Cromwell oder Rick Rosas am Bass schlagen in die selbe Kerbe Fork In The Road ist ein rohes, spontanes, ungehaltenes, kantiges und unruhiges Werk. Es passt zum Irrsinn seiner Zeit, immerhin.

Milow - Milow


Unsere Wertung: ***

Singer-Songwriter sind für gewöhnlich authentische Straßenmusikanten, zeitlose Surferjungs oder faszinierende Einsiedler. Milow allerdings ist ein Singer-Songwriter der anderen Sorte. Er ist ein full option All-in-one-Modell und kombiniert künstlerische Integrität mit Erfolg. Und Erfolg mit totaler Unabhängigkeit.

Milow is born in the eighties, wächst in den Neunzigern musikalisch mit Radiohead und Nirvana auf und findet bald zu einigen Grundfesten. Alles beginnt mit vier Wänden und sechs Saiten, der Tatsache, dass er den jungen Bruce Springsteen und den ewig jung gebliebenen Neil Young verehrt, dass seine Akustikgitarre sein bester Freund ist und dass er seine Zukunft in der Musik sieht. “Instead of a future, I’ve got a guitar”.

Im Wesentlichen ist Milow ein old school Songwriter. Er schreibt pointierte Popsongs, die durch starke Bilder und dichterische Feinheiten auffallen. Inhaltlich weicht er gerne von traditionellen Wegen ab, um zu experimentieren, und auch geschäftlich zieht er sein Ding durch: Milow ist sein eigener Manager und Plattenboss.

Eine goldene Regel in der Musikindustrie lautet: Mache erst deine Hausaufgaben, bevor du in die Welt ziehst. Und Milow hat seine Hausaufgaben gemacht! Sein künstlerisches Coming out erfolgt dementsprechend stilvoll. 2004 ist er Finalist beim wichtigsten Rockwettbewerb der Heimat von Jacques Brel und dEUS, seine stärkste Nummer wird gleichzeitig sein erster Nummer 1 Hit. Echte Talente treten eben jung auf die Bildfläche und legen die sofort die Karten auf den Tisch.

Milow hat viel Talent und ein goldenes Händchen. Nach fünf Jahren hat er es in Belgien zu zwei goldenen Singles, zwei goldenen Alben und acht Music Industrie Awards (MIA) gebracht und ist bereits dreimal auf dem Werchter Festival aufgetreten. Zeit, nun die Grenzen zu erweitern.

‘Ayo Technology’ (2009) ist das welttaugliche Cover einer welttauglichen Nummer von 50 Cent. Es erntet das Lob von Perez Hilton, dem berühmtesten Blogger der USA und von Topproduzent Kanye West. Die Single steigt in Belgien und den Niederlanden auf Platz 1 und bereitet den Rest von Europa auf die Ankunft von Milow vor. Und das Schönste: Auf dem Pinkpop 2009 (NL) tritt er nach seinem großen Held Springsteen auf. Denn Bruce schließt am 30. Mai den Tag auf der Main Stage ab, und Milow ist Opener am 31. Mai.

It’s good to know Milow. Es ist bemerkenswert, wie viele und wie sehr Jugendliche sich mit seinen Texten identifizieren. Und wie sie durch ihn eine Musiktradition empfinden, die für Menschen aus den 80ern und 90ern allmählich zum Anachronismus geworden ist. Wenn ihr also auf der Suche nach einem begnadeten Performer und Geschichtenerzähler mit einer starken Band seid, you will like him. Wenn ihr authentische, zeitlose und faszinierende Nummern liebt, you will love him. Und wenn ihr Radiomacher mit einem Ohr für gute Nummern oder Journalisten mit einem Riecher für eine gute Story seid - he’s your man.

Schön jedenfalls, dass Jonathan Vandenbroeck, so sein bürgerlicher Name, mit der Cover-Version von Ayo Technology nun auch hierzulande eine gewisse Bekanntheit erreicht hat.

Sollte Jonathan in Zukunft den Fokus ein wenig mehr auf Unangepasstheit legen, wer weiß, was aus ihm dereinst noch werden kann ...

Depeche Mode - Sounds Of The Universe


Unsere Wertung: ***

Ist die Leidenschaft auf der Strecke geblieben?

Oder etwa doch nicht? "In Chains" eröffnet das Album mit viel Melancholie. "Hole To Feed", eine Komposition von Dave Gahan, baut mit seinem dunkel-rockenden Groove konsequent Spannung auf. "Wrong", die erste Singleauskopplung, treibt diese auf die Spitze. Ein kraftvoller Auftakt, den die analoge Schmusenummer "Fragile Tension" und die sanfte Ballade "Little Soul" gefühlvoll auffangen: ein starker Einstieg. "Wrong" besitzt zudem bleibende Qualitäten, die den Song bereits jetzt für zukünftige Best-Of-Compilations empfehlen.

Danach ist aber die Luft raus!

Die sonst so dichten und engmaschig gewebten Klangwelten scheinen meines Erachtens auf diesem Album durch sehr einfach strukturierte Melodien ersetzt zu sein. Dadurch wirken die Titel anspruchslos und eindimensional.

Die sonst so abwechslungsreiche, intensive und kunstvolle Stimme Dave Gahans ist auf diesem Album wenig farbig bis blass. Teilweise erscheinen mir seine Vocals gar etwas uninspiriert, wenn auch auf höchstem professionellem Niveau.

Fazit: Ein sehr einfaches und nicht sehr anspruchsvolles Album, dass in meiner persönlichen Top Ten wahrscheinlich nicht aufgenommen werden wird.

Aber überzeugt euch selbst

Donnerstag, 16. April 2009

India.Arie - Testimony: Vol.2, Love & Politics

Unsere Wertung: *****

Testimony: Vol.2,Love & Politics

Mit ihrem erdigen Soul, ihrer honig-süßen Altstimme, ihren ausgezeichneten Texten und ihrer handgemachten eindringlichen Folk- und Welt-Musik, hat die mehrfache Grammy-Gewinnerin die Musikwelt 2001 im Sturm erobert. India Arie Simpson hat den "Nu Soul", mit seiner Rückbesinnung auf die alten Werte des handgemachten Soul, mitdefiniert und es ist eine schiere Freude ihre endrucksvolle Entwicklung als Künstlerin mitzuerleben. Hat sie mit ihrer letzten, eher introvertierten CD ,Testimony: Vol.1, Life & Relationships' noch ihre schmerzhafte Trennung vom Partner Musiq Soulchild beklagt, so ist ihre neue Scheibe ,Testimony: Vol. 2, Love & Politics' eine durchweg positiv gestimmte Reise durch gesellschaftspolitische Themen und Fragen des Zusammenlebens. Arie knüpft in ihren Texten, wie immer, einen feinmaschigen, hintergründigen Teppich und unterlegt diese Gedanken mit ihrem so eignen, höchst melodischen Groove, wie auf "Chocalate High" oder "Yellow", richtig folky und erdig geht es auf "Therapy" und "Better Way" zu, während ein ausgezeichnetes Cover von Sades "Pearls" stark west-afrikanische Züge trägt. Selbst Hip-Hop kommt auf "Psalms 23" zu ehren. ,Vol.2' ist India.Aries emotionalste, in ihren Texten intelligenteste und musikalisch vollkommenste Veröffentlichung, bis heute. Sie wird von so unterschiedlichen Künstlern, wie Terrell Carter, Musiq Soulchild, Rapper MC Lyte, Jamaikas Gramps Morgan und dem Türken Sezen Akso einfühlsam unterstützt und dominiert doch ihre wunderbar swingende Tour-de-Force durch eine Welt, die sie beschäftigt und ehrlich berührt, ohne in simples Anklagen zu verfallen. Das ist bester Soul von einer jungen Künstlerin, die ihren Höhepunkt scheinbar schon erreicht hat.

My Dying Bride - For Lies I Sire

Unsere Wertung: ****


In den Reihen der Trauerweiden My Dying Bride war es in den letzten Jahren etwas unruhig. So gibt es auf ihrem neuesten und zehnten Streich "For lies I sire" mit Lena Abé an Bass und Dan Mullins am Schlagzeug eine neue Rhythmusgruppe zu hören, und bedingt durch die Schwangerschaftspause von Sarah Stanton auch eine neue Dame namens Katie Stone am Keyboard. Letztere bringt auch die offensichtlichste Änderung mit sich: Die Rückkehr der Geige. Nach über einem Jahrzehnt gibt es dieses Instrument bei My Dying Bride wieder in echt zu hören, was sofort Erinnerungen an das große "The angel and the dark river" hervorruft. Besonders das zweite Lied "My body, a funeral" schlägt in diese Kerbe. Die dezent eingesetzte Doublebass treibt den düsteren und harten Song enorm voran, während sich die melancholische Geigenmelodie in die Gehörgänge frisst.

Dabei beginnt das Album noch recht zaghaft mit ein paar gezupften Gitarrenakkorden und der sanften Stimme von Aaron Stainthorpe. Doch bald stellt sich hier mit der Hilfe von getragenen Powerchords ein Gefühl von Finsternis und Hoffnungslosigkeit, welches sich von Anfang bis Ende durch "For lies I sire" zieht. Doch auch wenn Songs wie "Santuario di Sangue", der Titeltrack oder "Echoes from a hollow soul" unheilvoll klingen, schaffen es My Dying Bride doch immer wieder eher ein Gefühl dunkler Schönheit, anstatt purer Depression zu vermitteln. Eine Kunst welche die Band schon immer verstand und auf der CD wieder voll und ganz zu Tage tritt. Lediglich der melodische Powerdoomer "Bring me victory" bringt etwas Auflockerung.

Dabei standen My Dying Bride von der Attitüde her schon immer zwischen bedrückendem Doom Metal und erhabenem Gothic. Mit "A chapter in loathing" zeigen sie aber ganz deutlich wo die Wurzeln der Band liegen. Ein Death Metal-ähnliches Riff und keifender Gesang vermitteln ein garstiges und bösartiges Gefühl, welches ganz im Gegensatz zum Rest des eher getragenen Albums, auf dem Frontmann Aaron meist klar und gefühlvoll seine Texte ins Ohr des Hörers singt, steht. Aber auch das mit einem einfachen Bassriff beginnende und sich aufschaukelnde "Shadowhaunt" beinhaltet einen spannenden Wechsel zwischen seiner sanften Stimme und harschen Growls. Es zeigt sich welch positive Entwicklung er in den Jahren gemacht hat. Heute klingt er ergreifender wie eh und je. Man nehme nur das epische "Death triumphant", welches das Album würdig abschließt.

"For lies I sire" ist wieder eine sehr gute CD von My Dying Bride geworden, welche sich wunderbar in die Reihe der bisherigen Longplayer einfügt und die sämtliche über die Jahre gesammelten Trademarks in sich vereinigt. Allerdings ist sie kein leichtes Stück Musik und bedarf einer gewissen Eingewöhnungsphase bis sie richtig zündet und man sich deren betörender Schönheit bewusst wird. Ein echter Grower eben.